Montag, 16. März 2009

Juist

10.03.2009.:

Ein letzter Frühstückskaffee bei Peter; Rudi kommt vorbei – er sucht sein Handy; der nette Mensch vom Hafenamt kommt vorbei – er will Geld (85 Euro für 9 Tage inkl. Strom). Wir unterhalten uns u.a. über mögliche Pannen, die mir unterwegs passieren könnten. Peter meint: „Wenn was schief geht, kannst du ja jederzeit den Retter rufen, die sind ja sofort da.“ – worauf ich erwidere: „Ich ruf doch nicht einfach so den Retter; das macht man nur, wenn man wirklich in Seenot ist; alles andere ist peinlich!“ „Chefe“ von Mackie Messer sagt nichts dazu – aber er hat wieder den „gewissen“ Heidrun-Meyer-du-hast-mal-wieder-ein-Rad-ab Blick...Wir verabschieden uns voneinander.

 Ablegen um ca. 9.45 Uhr; wenig Wind und mittlere Sicht. Im Watt sind Eistonnen ausgelegt, sie sind wesentlich besser zu sehen als die Prikken. Da das Rigg noch nicht zufrieden stellend getrimmt ist (), bleiben die Segel vorerst unten. Ich muss sowieso erst noch testen, ob der Sabb auch wirklich gut läuft. Außerdem ist es ziemlich kalt und ungemütlich.

Komme problemlos über das Borkumer Watt. Auch das Nordland ist tief genug. Etwa gegen 12.30 Uhr erreiche ich die Hafeneinfahrt von Juist. Ich bin froh, bald im Hafen zu sein; das Wetter hat sich eher verschlechtert. Fröhlich singe ich „Jühüstili im Nehebel“ – und plötzlich sitze ich auf... „Satan, ist das hier aber flach geworden“, denke ich (schon fast ein wenig empört); es dauert tatsächlich ein paar Minuten, bis ich merke, daß der Fehler eindeutig bei mir liegt. Ich bin falsch gefahren und liege nun hoch und trocken (und in dem Moment kann ich noch gar nicht so genau abschätzen, wie hoch und trocken ich denn wohl liege) nahe dem Leitdamm auf dem Sand. Das bedeutet: Ich muss die nächsten acht Stunden abwarten und kann erst im Dunkeln in den Hafen fahren – falls ich überhaupt jemals wieder hier runter komme... Mist!

Wenn man so ganz alleine unterwegs ist, fühlt sich vieles anders an.  Man macht sich mehr Gedanken, malt sich stets in allen Einzelheiten aus, was alles schief gehen könnte. Das hat den Vorteil, dass man im Fall der Fälle sicher eher gewappnet ist; es hat aber auch den Nachteil, dass man immer ein wenig angespannt und überempfindlich ist (ich hoffe, dass sich das mit zunehmender Erfahrung etwas relativiert). Und wie ich also so alleine auf dem Sand sitze, denke ich: „Ein bisschen Zuspruch täte mir jetzt ganz gut!“

Ich tue also genau dass, von dem ich noch vor wenigen Stunden behauptet habe, dass ich das niemals tun würde: Ich lasse mir vom Borkumer Retter die Telefonnummer des Juister Retter geben! Als Frau habe ich Gott sei Dank die Fähigkeit, meine Meinung täglich mehrmals grundlegend zu ändern, und genau das Gegenteil von dem zu tun, was ich ursprünglich mal wollte. (Männer nennen dieses Phänomen entnervt „Unentschlossenheit“; ich nenne es „Flexibilität“ ). Ich telefoniere also mit Harm, dem Retter – und schon geht es mir wieder gut. Jetzt kann ich auch über meine eigene „Blödheit“ lachen – bin ich doch schon oft genug auf Juist gewesen. Aber was soll`s.

Bald klingelt dann auch schon das Handy. Anruf aus Jemgum; Michel am Apparat „Heidrun, was machst du da?“ Er hat mich schon längst durch die Webcam im Visier. Aber er ist nicht der Einzige; ganz Juist weiß offensichtlich auch schon Bescheid. Bei einem Landgang werde ich sofort erkannt (an den Gummi­stie­feln). So lerne ich Harm auch gleich per­sön­lich kennen. Abends in der Däm­merung versuche ich, mir den Weg genau einzu­prägen – ich will ja nicht gleich auf der anderen Seite wieder auf den Schiet jagen... Aber glücklicherweise ist Vollmond; da ist es nicht ganz so düster.

Als ich dann – überraschend früh – wieder freikomme, tucker ich ganz langsam – in einer Hand den Strahler, eine Hand am Steuer – in den Hafen. Es geht ganz gut; jetzt bloß keine Experimente mehr; ich beschließe, gleich am ersten Steg an­zu­legen. Ich habe jetzt auch wirklich keine Lust mehr: 12 Stunden für die Strecke Borkum – Juist ist schon fast rekordverdächtig... Netterweise stehen Harm und Hauke (die beiden Retter) am Steg und nehmen mich in Empfang! Vielen Dank noch mal euch beiden an dieser Stelle!!! Wir trinken noch ein Bier (bzw. Sekt) zusammen; dann lasse ich das Chaos Chaos sein (es ist natürlich etliches durcheinander gepurzelt) und gehe noch kurz an Land (Beine vertreten). 

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